Reißzeug

Reißzeug
reißen:
Mhd. riz̧en »‹zer›reißen; einritzen; schreiben; zeichnen«, ahd. rīz̧an »reißen; schreiben« und aisl. rīta »ritzen; schreiben« hatten ursprünglich wahrscheinlich anlautendes w- und entsprechen dann mnd. wrīten »reißen; schreiben; zeichnen«, aengl. wrītan »einritzen; schreiben; zeichnen« (engl. to write »schreiben«). Um »reißen« gruppieren sich die Substantivbildung Riss, die Intensivbildung ritzen und das Veranlassungswort reizen (eigentlich »einritzen machen«). Diese germ. Wortgruppe gehört mit verwandten Wörtern in anderen idg. Sprachen zu der vielfach weitergebildeten und erweiterten idg. Wurzel *u̯er- »aufreißen, ritzen«, vgl. z. B. griech. rhī̓nē »Feile, Raspel«. – Das Verb »reißen« bedeutete ursprünglich »einen Einschnitt machen, ritzen«. Dann wurde es speziell im Sinne von »‹Runen›zeichen einritzen« gebraucht. Aus diesem Wortgebrauch entwickelten sich die Bedeutungen »schreiben; zeichnen; entwerfen«, beachte engl. to write »schreiben« und schwed. rita »zeichnen«. An »reißen« im Sinne von »zeichnen, entwerfen« schließen sich im Dt. z. B. an Reißbrett »Zeichenbrett« (17. Jh.) und Reißzeug »Gerät zum Umrisszeichnen« (17. Jh), beachte auch die Bedeutungsverhältnisse der unten behandelten Präfixbildungen und Zusammensetzungen und des Substantivs »Riss«. Auch die Wendung »Possen reißen« »derbe Späße machen« (danach dann auch »Witze reißen«) bedeutete ursprünglich wahrscheinlich »Possen zeichnen« ( Possen). Im heutigen Sprachgebrauch wird »reißen« gewöhnlich in den Bedeutungen »gewaltsam trennen; gewaltsam entfernen, fortnehmen« (transitiv) und »auseinandergehen, sich lösen, entzweigehen« (intransitiv) gebraucht. Ferner wird es im Sinne von »gewaltsam oder heftig ziehen, zerren« und im Sinne von »‹sich› gewaltsam oder heftig bewegen« verwendet, vgl. dazu die verschiedenen Anwendungsbereiche des Partizipialadjektivs reißend (z. B. von Tieren, von der Strömung). Beachte dazu die Präfixbildungen und zusammengesetzten Verben abreißen »niederreißen, abbrechen; entfernen; sich lösen, abfallen«, früher auch »ein Bild im Umriss entwerfen« (mhd. aberīz̧en), dazu Abriss »Umrisszeichnung; Hauptzüge, kurzgefasste Darstellung« (16. Jh.); anreißen ugs. für »anbrechen, etwas wovon nehmen« und für »anlocken«, dazu Anreißer ugs. für »Anpreiser, Ausrufer«; aufreißen »aufbrechen, ‹heftig oder gewaltsam› öffnen; einen Riss bekommen«, technisch für »zeichnen, entwerfen« (mhd. ūfrīz̧en), dazu Aufriss »nicht perspektivische Vertikalzeichnung«; ausreißen »gewaltsam entfernen; sich lösen; einen Riss oder ein Loch bekommen; ‹ent›fliehen« (mhd. ūz̧rīz̧en), beachte dazu die Wendung »Reißaus nehmen« »fliehen« (16. Jh.; aus dem Imperativ reiß aus!); einreißen »niederreißen, abbrechen, zerstören; einen Riss bekommen; Brauch, Unsitte werden« (mhd. īnrīz̧en); hinreißen »fortreißen; zu etwas bringen, zu etwas verführen; entzücken« (mhd. hinrīz̧en; beachte besonders das in adjektivischen Gebrauch übergegangene erste Partizip hinreißend »entzückend«); verreißen ugs. für »abfällig kritisieren, heruntermachen«, früher »in Stücke reißen, vernichten« (mhd. verrīz̧en); zerreißen »gewaltsam trennen, in Stücke reißen, zerfetzen, vernichten; auseinandergehen, sich lösen, in Stücke gehen« (mhd. zerrīz̧en; beachte das zweite Partizip zerrissen im übertragenen Sinne von »unglücklich, mit sich selbst zerfallen«, dazu Zerrissenheit). – Der substantivierte Infinitiv Reißen wird vielfach im Sinne von »Gliederschmerzen« gebraucht. Die Bildung Reißer (»jemand, der reißt; Gerät zum Reißen oder Ritzen«) wurde schon in der 2. Hälfte des 19. Jh.s bühnensprachlich im Sinne von »wirkungsvolles Stück« verwendet. Siehe auch den Artikel gerissen.

Das Herkunftswörterbuch . 2014.

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